Gerade noch gemütlich einen Pudding in der großen Aula der Highschool gelöffelt, etwas träumend an die Decke blickend, Pläne für den Sommer schmiedend, und in der nächsten Sekunde mit einem lauten Knall an einer Reling stehend, welche er in seinem Leben noch nie erblickt hatte.
*FUCK, was zur...?* blickte sich Ray etwas panisch um. Er wusste nicht, was geschehen war. War er tot? Zauberei? Hexerei? Müsste er sich Fackel und Gabeln besorgen? Wohl eher weniger, die Zeiten sind vorbei. Seine Nackenhaare stellten sich blitzschnell auf, als eine pinke Blüte leicht seinen Nacken streifte. Er kannte das Gefühl der sanften Berührung nicht mehr, Schläge seines Vaters waren sein täglich Brot, Liebe und Geborgenheit waren Gefühle, die er sich in seinen tiefsten Träumen ersehnte. Schwer atmend beobachtete er die pinken Blüten des prachtvollen Baums, wie diese langsam zu Boden glitten und dort eine gleichmäßige Oberfläche bildeten. Es waren nicht zu wenig oder gar zu viele Blüten, es war genau die perfekte Menge, die einem ein Grinsen auf die Lippen zauberte.
Ray griff in seine linke Hosentasche in der Hoffnung, sein Handy zu finden. Natürlich… vergessen. Leicht verunsichert von der Situation sah sich der Junge gründlich um. Der Baum mit den vielen Blüten, die auf den Boden fielen, eine Treppe und sonst nichts Besonderes… obwohl? Alle zehn Meter lagen Uhren auf dem Boden, die man zwar nicht aufheben, aber gut betrachten konnte. Ein genauerer Blick verriet, dass die Zeit falsch herum lief, ebenso das Datum. Sie lief nicht wie gewöhnlich aufwärts, sondern Tag für Tag abwärts. *Wo zum Teufel bin ich gelandet?*
Seelenruhig lief ein Mann die Treppe Richtung Ray hinab, fing eine Blüte im Fall und roch an dieser, wonach er die Blüte wieder fallen ließ.
"E-Entschuldigen Sie? Wo bin ich? Bin ich… tot?" hob Ray fragend die Hand, wodurch er hoffte, dass der Mann ihn überhaupt wahrnahm. Der Mann schien Mitte 20 zu sein, hatte weiße Haare und trug einen langen schwarzen Mantel, der prachtvoll beim Laufen hin und her schwang. "Ich weiß es leider auch nicht. Ein kleiner Junge in der Richtung meines Erscheinens erklärte mir, dass die Reise erst anfing, ich würde einen Begleiter finden, der mit mir den Ausgang finden würde," hob er lächelnd den rechten Mundwinkel. "Das bist dann wohl du," nickte er erwartungsvoll.
Etwas von der Situation überfordert, wich Ray dem Mann mit ein paar Schritten nach hinten aus. "Ich glaube nicht, dass ich ein guter Partner bin," kratzte er sich am Nacken. "Schwächlich mit etwas Feigheit ist keine gute Kombination," lächelte er verschmitzt. Erst jetzt konnte er den Weißhaarigen genauer mustern und gab zu, diesen falsch eingeschätzt zu haben.
"Komm jetzt mit, es wird dunkel und ich möchte die Nacht nicht draußen verbringen," sprach der große Mann, welcher langsam etwas schneller Richtung Treppe ging. Warum auch immer, wusste er, dass Ray ihm folgen würde, etwas widerwillig, aber er würde folgen.
"Ja... a-a-a.... ALSO, I, ich kaNN doch niCHT?!" wurde Ray laut, folgte dem Mann dann doch widerwillig, da er keine Wahl hatte. Alleine draußen zu sein, war jetzt auch nicht seine Lieblingsbeschäftigung… Wer weiß, was noch passieren mag?
Von der Situation angefressen, stieß Ray dem Großen seinen rechten Arm in die Seite. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis er sein Handeln bereute. "Es tut mir leid! DAS WOLLTE ICH NICHT?!" schrie er laut auf und schlug schützend die Hände vor dem Gesicht zusammen, als würde er gleich geschlagen werden. Mit einem kurzen, eindringlichen Blick wandte sich der Weißhaarige ab und betrachtete den Weg vor sich. Er schien endlos, kalt… fast schon gespenstisch, als würde sich dieser Baum immer wieder im gleichen Abstand und in gleicher Position wiederholen… Jede Blüte fiel synchron mit allen anderen zu Boden.
"Komm, wir haben einen langen Weg vor uns," senkte der Große stöhnend den Kopf. Ein Ende war nicht zu erkennen. Der Baum mit den pinken Blüten wiederholte sich alle zehn Meter und ließ tatsächlich synchron mit allen anderen Bäumen die Blüten hinabfallen. Der Weg war so lang, dass die Erdkrümmung die Sicht auf die nächsten Kilometer versperrte. "Verlasse niemals… diesen Weg, verstanden?" fragte er nun etwas brummend. Ray nickte stumpf und lächelte etwas. "Wie heißen Sie eigentlich?" flüsterte er und hoffte auf eine Antwort, die nicht noch mehr Fragen aufwerfen würde.
"Yasu. Deiner ist Ray, richtig?" Etwas von der Frage verwirrt, nickte er nochmals. "J-ja, richtig."
Zwei Stunden verstrichen langsam in den Tag. Yasu schien nicht den Anschein zu erwecken, Redebedarf zu haben, weshalb Ray die Zeit nutzte, um jeden kleinsten Millimeter auf dem Weg zu analysieren. Er hoffte auf eine Unregelmäßigkeit, doch leider ohne Erfolg. Meter für Meter wiederholte sich der Weg, und ein Ende war immer noch nicht in Sicht. "Warum sind wir hier? Ist es unser letztes Beschwernis? Womit habe ich es verdient?" flüsterte er und hoffte auf eine Antwort. Yasu zog lediglich seine Lederhandschuhe aus und hielt sie dem kleinen Jungen vor die Nase. "Nimm," wonach Ray diese nahm und etwas planlos in den Händen hielt. Kurz kopfschüttelnd schob Yasu seine Hände in den Mantel und lief stumm weiter.
"Egal, was in den nächsten Minuten passieren wird, beachte es nicht," hob Yasu gut gemeint, dennoch aufgesetzt, den rechten Mundwinkel.
Eine Sekunde später befand sich Ray ohne Yasu an einer alten Tankstelle, welche sehr heruntergekommen aussah. "WAS ZUM TEUFEL? WARUM BIN ICH… ICH WILL… mpff," schrie er laut und blickte auf einen Mann, der auf einem roten Sessel genüsslich ein Bier trank. Zögerlich schritt er auf diesen zu und hob eine Hand. "E-e… Entschuldigen Sie bitte, w-wo bin ich?" hielt Ray sich bei der Frage die Tränen zurück. Er war nicht stark, er war zerbrechlich und konnte mit der kompletten Situation nicht wirklich umgehen.
"Distrikt A, äußerer Bezirk der Totenwache," hob dieser nun eine Augenbraue. "Und du bist? Seit wann schicken die Kinder?" knurrte er und zeigte auf eine Box. "Mir egal… nimm und verschwinde."
Kopfschüttelnd setzte sich Ray auf den Boden. "Bitte behalten Sie mich hier, ich kann und will nicht mehr… Ich tue alles, was Sie wollen. Bitte…" flüsterte er nun mit Tränen in den Augen, die langsam die Wangen hinunterliefen. Ray wusste nicht, was geschah, was Distrikt A oder die Totenwache war.
"Was ist denn mit dir los? Nimm die Kiste und hau ab, du kleine Kröte," trat der Mann nun Ray in die Hüfte und warf die Kiste wutentbrannt auf den Boden. "LOS!" brüllte er hinterher. Laut schreiend krümmte sich Ray auf den Boden und kroch langsam Richtung Paket. "I-i… I, I.. in Ordnung," schluchzte er und zog sich das Paket mit aller Kraft gegen die Brust, schliff sich dann mit dem Paket an der Brust in Richtung Ausgang der Tankstelle.
Dreißig Minuten vergingen, in denen sich Ray mit dem Paket hinter ein Auto geschleppt hatte, um dort weiter weinen zu können. Er wusste nicht weiter… Gleichzeitig tauchte Yasu neben dem Jungen auf und streckte seine rechte Hand geöffnet zu Ray hinunter. "Handschuhe, bitte…," welche Ray schluchzend aus der Hosentasche kramte. "Hat dir der Mann etwas getan?"
"Ray? Kennst du das Gefühl der Einsamkeit? Ich möchte mir nicht mal vorstellen, wie es sich anfühlt, einsam zu sein, zumindest… jetzt nicht mehr. Ich könnte es nicht mehr ertragen, alleine zu sein," beugte sich Yasu zum Kleinen hinunter und legte seine Lippen an dessen Ohr. "Ich werde dafür sorgen, dass deine Einsamkeit nicht so schlimm wird," wonach Ray fragend den Kopf schief legte und immer noch heulend die Rippen festhielt.
Yasu erhob sich langsam und half Ray auf die Beine. Der Junge war erschöpft und zitterte leicht, hielt sich aber tapfer aufrecht. "Danke," flüsterte Ray, immer noch mit tränenerfüllten Augen.
Yasu nickte nur und betrachtete kurz die verlassene Tankstelle. "Wir müssen zurück auf den Weg," sagte er ruhig. "Dieser Ort ist gefährlich. Folge mir."
Ray hielt das Paket fest umklammert und lief neben Yasu her. Sie verließen die Tankstelle und gingen eine Weile schweigend durch eine düstere, karge Landschaft. Der Himmel war von dunklen Wolken verhangen, und ein unheimlicher Wind blies ihnen ins Gesicht. Ray fühlte sich unbehaglich und fragte sich, was in der Kiste sein könnte, die er mit sich schleppte.
"Was ist in der Kiste?" fragte er schließlich, seine Stimme zitterte leicht.
Yasu warf ihm einen kurzen Blick zu. "Das werden wir herausfinden, sobald wir an einem sicheren Ort sind," antwortete er. "Es könnte wichtig sein. Vielleicht enthält sie einen Hinweis auf den Weg zurück."
Bis hierher lief es ganz gut, doch was ist nun in der Kiste? Wohin wird diese Sie führen?
Und vor allem, was hat dies alles mit SCP zu tun, wer weiß, mal schauen, wann es weiter geht.
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